Dr.-Ing. Martin Rumberg, stellv. SRL-Vorsitzender;  Dipl.-Ing. Guido Spohr, SRL-Projektgruppe Wärmeplanung
14. Juni 2023 

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die Gelegenheit, zum oben genannten Entwurf im Rahmen der Verbändeanhörung Stellung nehmen zu dürfen. Die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) e.V. ist ein bundesweites Netzwerk mit ca. 2.000 Mitgliedern, die in sämtlichen Bereichen der Planung (Stadtplanung, Verkehrsplanung, Landschaftsplanung, Umweltplanung u.v.m.) tätig sind. Die SRL ist gleichzeitig die berufsständische Interessenvertretung der planenden Berufe. Die SRL ist politisch unabhängig und wirtschaftlich eigenständig. 

Ziele des Gesetzes
Der vorliegende Referentenentwurf hat zum Ziel, einen verbindlichen Rahmen für eine strategische, transformatorisch angelegte Energieversorgung sowie deren Integration in die räumliche Planung festzulegen. Die Basis bildet die (kommunale) Wärmeplanung. Ziel ist die Klimaneutralität im Bereich der Wärmeversorgung bis zum Jahr 2045. 

Was regelt der Entwurf?
Der Entwurf regelt die Aufgaben und Pflichten des Bundes, der Länder und der nachgelagerten Gebietskörperschaften. Er stellt klar und nachvollziehbar den Aufbau der künftigen sogenannten kommunalen Wärmeplanung dar. Weiterhin regelt er das Verhältnis zwischen dem vorliegenden Fachrecht und u.a. dem BauGB. Weiterhin wird das Verhältnis zum parallel verlaufenden GEG-Gesetzgebungsverfahren dargestellt.

Hinweis: Die nachfolgende Bewertung dieses Referentenentwurfs unterliegt aufgrund aktueller neuer Rahmenbedingungen (siehe Leitplanken GEG-Entscheidung der Bundesregierung vom 13.06.2023) einem gewissen Vorbehalt, zumal aus unserer Sicht die kommunale Wärmeplanung fachlich und sachlich noch einmal deutlich gestärkt wird und den reinen Charakter eines zu berücksichtigenden Belangs verliert: Mit den Leitplanken der Bundesregierung wird grundsätzlich ausgedrückt, dass das GEG in den wesentlichen und zentralen Umsetzungserfordernissen erst dann Wirkung entfaltet, wenn die Kommunen eine kommunale Wärmeplanung aufgestellt und genehmigt bekommen haben. Damit die Wärmeplanung eine derart verbindliche Basis für Zulässigkeitsentscheidungen werden kann (also maßgeblich dafür, was wann in Gebäuden eingebaut werden darf bzw. muss), ist aus Sicht der SRL das Satzungsrecht der Kommunen das einzig wirksame rechtliche Instrument. Jede KWP muss somit ein ordentliches und rechtlich bindendes ordentliches Aufstellungsverfahren durchlaufen. Denn nur so kann die kommunale Wärmeplanung als Instrument zeitlich und sachlich sowohl für die Versorger und Netzbetreiber als auch für die Grundstückseigentümer bindend sein. Nur durch diesen Rechtscharakter lässt sich das Zusammenwirken mit dem GEG fachlich zielführend vollziehen. Dieser Schritt hätte aus Sicht der SRL gleich zu Beginn der beiden Gesetzgebungsverfahren so vollzogen werden müssen, um beide Gesetze sinnvoll aufeinander abzustimmen. Wir gehen davon aus, dass eine erneute Verbändeanhörung notwendig werden kann, um die durch weitere Konkretisierungen im laufenden GEG-Gesetzgebungsverfahren Änderungen noch zu berücksichtigen.

Die Position der SRL
Die SRL begrüßt ausdrücklich die mit dem Gesetz beabsichtigte bundesweit einheitliche verpflichtende Regelung der Einführung einer (fast) flächendeckenden Wärmeplanung für Deutschland. Der vorliegende Entwurf schließt eine wichtige Lücke im Verhältnis der Energieversorgung und dem BauGB. Er stärkt mit seinem strategisch angelegten Transformationspfad auch die planenden Berufe. Der zeitliche Umsetzungspfad stellt sich dabei als sehr ambitioniert dar. Wurden bspw. die meisten Erdgasnetze in ca. 70 Jahren Zug um Zug umgesetzt, so erwartet der vorliegende Zeitplan eine komplette klimaneutrale Wärmeversorgung binnen 22 Jahren. Die im Entwurf noch allgemein gehaltene planungsverantwortliche Stelle erhält durch die dargestellten Zielsetzungen und Verpflichtungen (Wärmeplanung als Konzept, regelmäßiges Monitoring und Anpassung) einen fast stabsstellenartigen Charakter. Die Herangehensweise, hier den Grundstückseigentümern künftig eine Sicherheit zu geben, welche Versorgungsart (zentral oder dezentral) vorgesehen ist, ist für uns ein zielführender Ansatz. 

Aus Sicht der SRL sind die benannten Regelungen zum Verhältnis zum BauGB in § 22 (Festlegungen des Wärmeplans, Bindungswirkung) nicht zu beanstanden. Die Wärmeplanung ist bei allen Abwägungen und Entscheidungen zu berücksichtigen, auch bei Ermessensentscheidungen.

Allerdings kann die Bauleitplanung nur überschaubare Beiträge zur Umsetzung der Wärmeplanung leisten. Verbindliche Festlegungen zur Heizungsart und zum Wärmeschutz der Gebäude können nicht getroffen werden, auch für den Einsatz regenerativer Energien bestehen nur indirekte Festsetzungsmöglichkeiten. Durch Bauleitpläne können keine Anschluss- und Benutzungszwänge begründet werden. Hierfür könnte nur eine direkte Wirksamkeit des Wärmeplans bzw. eine Anpassung der einschlägigen energie- und kommunalrechtlichen Vorschriften (z. B. den Gemeindeordnungen mit ihren Satzungsbefugnissen) Verbindlichkeit schaffen.

Hohe Bedeutung hat die Bauleitplanung für die planerische Sicherung und Entwicklung von Flächen zur Produktion von erneuerbaren Energien – auch für die Wärmeversorgung. Hier könnte eine wesentliche Verknüpfung von Wärme- und Bauleitplanung stattfinden. Die Aufnahme der Wärmeplanung als berücksichtigungspflichtiger Belang der Bauleitplanung bedeutet jedoch auch, dass die Kataloge der in der Abwägung zu berücksichtigenden Themen noch länger und für die Gemeinden schwieriger handhabbar werden. 

Klärungsbedürftig ist aus Sicht der SRL die Vorgabe in § 22 Abs. 1 Nr. 2, nach der die Wärmeplanung im Rahmen von Abwägungs- und Ermessensentscheidungen in Zulässigkeitsentscheidungen nach den §§ 29 bis 35 BauGB zu berücksichtigen ist. Es bleibt unklar, wo konkret in diesen Entscheidungen Abwägung oder Ermessen mit Bezug zu den Festlegungen der Wärmeplanung ausgeübt werden könnten. 

Mit der Ergänzung von § 204 Abs. 1 Satz 2 BauGB (Hinweis auf gemeinsamen Flächennutzungsplan) wird ein Weg aufgezeigt, wie die aufgrund der Netzstrukturen oftmals erforderliche interkommunale Zusammenarbeit instrumentell umgesetzt werden könnte. Allerdings stellt sich auch hier die Frage, durch welche Inhalte ein Flächennutzungsplan über die nachrichtliche Darstellung der Versorgungsgebiete und Flächen für die regenerative Energieerzeugung hinaus die Wärmeplanung substanziell unterstützen kann.

Eine weitere zentrale Lücke im Verhältnis zum besonderen Städtebaurecht wird in §17 (5) geschlossen. Denn mit der Ausweisung von Teilgebieten mit erhöhtem Energieeinsparpotenzial erhält die planungsverantwortliche Stelle ein weiteres Instrument, um die Wärmeplanung mit dem Sanierungsrecht und der Festlegung von Sanierungsgebieten zu verzahnen. Wichtig ist jedoch, dass die Energiesparpotenziale maßgeblich mit den städtebaulichen Missständen korrelieren und aus diesen resultieren, damit städtebauliche Sanierungsmaßnahmen rechtlich anwendbar sind.

Damit die Umsetzung im ambitionierten Zeitplan gelingt, ist es aus unserer Sicht elementar, die 

  1. finanzielle Ausstattung der Kommunen oder planungsverantwortlichen Stellen,
  2. die personelle Ausstattung der Kommunen

zu verbessern.

Mit diesem Gesetzesentwurf kommen weitere zusätzliche Aufgaben auf die Kommunen zu, die prozessorientiert und strategisch angelegt und zugleich querschnittsorientiert sind. Da-rüber hinaus stehen die Kommunen vor der Herausforderung, den

  1. Umbau der Verwaltungsstruktur (sowohl innerhalb ihrer Alterspyramiden) sowie 
  2. den weiteren Umbau der sektoralen Verwaltung hin zu einer querschnittsorientierten und dienstleistungsorientierten Verwaltung

bewältigen zu müssen.

Zurzeit gibt es mehrere Gesetzesvorhaben, die die Kommunen stark fordern, so z.B. die potenziellen Verpflichtungsaufgaben im Rahmen des Klimaanpassungsgesetzes oder des daraus resultierenden Teilbausteins der wassersensiblen Stadtentwicklung. In den bisherigen Entwürfen und Eckpunktepapieren sehen wir die personelle Ressourcenknappheit der Kommunen leider nur sehr unzureichend berücksichtigt.

Weiterhin erfordern die oben beschriebenen Aufgabenfelder der kommunalen Wärmeplanung neue Fachkompetenzen der Verwaltungsmitarbeitenden, es braucht:

  • Integratives, prozessuales Denken und Handeln (Prozess- und Projektmanagement)
  • Energietechnische Kompetenz
  • Bauleitplanerische Kompetenz
  • Ökonomische Kompetenz
  • Moderations- und Beratungskompetenz.

Diese Kompetenzen sind zurzeit in Verwaltungen nicht in ausreichendem Maße vorzufinden und können auch nur bedingt durch die vom Bund geförderten Klimaschutzmanager/-innen abgedeckt werden. Daher hält die SRL drei aufeinanderfolgende und sehr zeitnahe Schritte erforderlich:

zeitnah/unmittelbar:

  • Qualifizierungs-/Fortbildungsinitiative für kommunale Akteure und Planer:innen für ein interdisziplinäres Aufgabengebiet (strategische (Bauleit-)planung, technische Wärmeplanung, Ökonomie, rechtliche Belange)
  • Zertifikatsstudiengänge an Hochschulen

mittelfristig:

Ausbildungsoffensive an den Hochschulen (neue Masterstudiengänge), im Referendariat sowie im Handwerk.

Für die erfolgreiche und langfristig angelegte Umsetzung der klimaneutralen Wärmeplanung ist das oben genannte Anforderungsprofil für Planende der KWP Voraussetzung, um: 

  1. die Transformation zielführend gestalten, monitoren und umsetzen zu können und 
  2. die zur Unterstützung benötigten Ingenieurbüros fach- und zielgerecht zu begleiten.

Auch für letztere gilt ähnlicher Weiterqualifizierungsbedarf. Der Markt der verfügbaren Ingenieurbüros, welche eine qualifizierte Wärmeplanung konzipieren und auch begleiten können, ist überschaubar. Auch hier ist ein Kompetenzaufbau dringend erforderlich. Dies macht die oben genannten Schritte zur Aus- und Fort-/Weiterbildung zusätzlich erforderlich. Letztlich sollten Energieagenturen und Architektenkammern gemeinsam entsprechende Standards entwickeln, um eine qualifizierte Wärmeplanung zu ermöglichen.

Welche Auswirkungen hat das Gesetz auf die Zielgruppen, also die Länder und Kommunen?

Das Gesetz dient der Vorbereitung langfristiger und strategischer Entscheidungen über die Organisation und Transformation der Wärmeversorgung in Richtung Treibhausgasneutralität, es soll ferner klären, welche Infrastrukturen hierzu nötig sind. Alle relevanten Akteure sind hierbei frühzeitig zu beteiligen. Die Umsetzungsfristen sind aus Sicht der SRL etwas unklar dargestellt. 

Zunächst sollen die Länder sicherstellen, dass Wärmepläne für Gebiete mit mehr als 100.000 EW bis 31.12.2025 vorliegen; für Gebiete mit mehr als 10.000 EW bis 31.12.2027

Letztlich sind die Länder verpflichtet sicherzustellen, dass WP für Gebiete >100.000 EW bis 31.12.2027 vorliegen, bei Gebieten > 10.000 bis 31.12.2028

Aus Sicht der SRL wäre eine klare Zielformulierung für die Kommunen ausreichend, da unklar ist, welche rechtliche Folgen (Sanktion) eine Nichtsicherstellung der Soll-Umsetzungsfristen hat.

Ohnehin schätzt die SRL die Zeitplanung als ambitioniert ein. Nach der Bundesregelung müssen geeignete Landesregelungen erfolgen, die sicherlich erst ab 2024 in geltendes Recht umgesetzt werden können. Fast parallel müssten bereits die Kommunen mit >100.000 EW in den Prozess zur Aufstellung der kommunalen Wärmeplanung einsteigen. 

Welche Verpflichtungen und welche rechtlichen Möglichkeiten bietet der Entwurf zur erfolgreichen Umsetzung? 

Mit dem Entwurf werden die Länder verpflichtet, die Wärmeplanung durchzuführen, diese erhalten eine Verordnungsermächtigung zur Verpflichtung auf Rechtsträger oder eine zuständige Verwaltungseinheit. Der Entwurf enthält aus Sicht der SRL viel Flexibilität und Gestaltungsfreiheit. Die Länder können von Wärmeplanungen absehen für Gemeindegebiete < 10.000 EW oder ein vereinfachtes Verfahren vorsehen. Ist dieses vereinfachte Verfahren definiert? Oder sollen die Länder diese vereinfachten Verfahren selbst regeln?

Das Ziel, 2030 50% der leitungsgebundenen Wärme klimaneutral zu erzeugen, zeigt, dass der Ausbau von Wärmeerzeugungs- und Infrastrukturanlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegt. Aus Sicht der SRL sollte die Wärmeplanung bei Ermessensentscheidungen deswegen grundsätzlich Vorrang haben.

Wird der Erfüllungsaufwand für Kommunen und Länder sowie Unternehmen realistisch dargestellt?

Die Entwicklung und Fortschreibung der Wärmepläne ist Haupterfüllungsaufwand. Die Umsetzung erscheint durch den Gesetzesentwurf noch nicht betroffen.

Die gesetzliche Mitwirkungsplichten und Planungsaufgaben für Energieversorgungs- und Wärmenetzbetreiber sowie Groß- und Ankerkunden wie Industrieunternehmen erscheint ambitioniert, aber machbar. Im Entwurf wird offensichtlich davon ausgegangen, dass die notwendigen Daten bei Unternehmen bereits vorliegen. Eine Herausforderung sehen wir indes in der im Entwurf geforderten gebäudescharfen Datenabgabe und deren Verhältnis zum Datenschutz (DSGVO, Europarecht). 

Wird ein Lastenausgleich zwischen Bund, Länder und Gebietskörperschaften dargestellt?

Die Frage nach der Konnexität lässt der Entwurf aus Sicht der SRL gänzlich unbeantwortet.

Sonstige kritische Anmerkungen zum Gesetzentwurf

- § 29 Bußgeldvorschriften und hier die Regelungen zur Beteiligung der Betreiber bestehender Wärmenetze: Der Wortlaut lässt aus Sicht der SRL die Bedenken zu, ob dadurch nicht die Konzeption und der Bau neuer Wärmenetze eher verhindert werden, da Bedenken der Netzbetreiber entstehen könnten, die Vorschriften nicht einhalten zu können.

- § 17 Abs. 3: Im Rahmen dieser Regelung kann die planungsverantwortliche Stelle den Betreiber auffordern, einen Entwurf zu erstellen, die Kosten sind vom Betreiber zu tragen. Die SRL stellt hier die Frage, ob dies ein realistischer Ansatz ist, Stichwort Lastenausgleich. 

Letztlich fehlen der SRL konkrete Vorgaben/verbindliche Regelungen zur möglichen Organisation der interkommunalen Zusammenarbeit, z.B. Regelungen für gerechten Kosten-Nutzen-Ausgleich. Interkommunale Kooperationen werden bisher vor allem aus diesem Grunde nicht umgesetzt. 

Weiterhin fehlt eine harmonisierte THG-Berechnungsmethodik aus kommunaler Sicht über alle Sektoren und allen normativen Gesetzgebungen und Förderkulissen. Diese sollte aus kommunaler Sicht auf physikalischen Grundlagen basieren. Die Rechenregeln der gesetzlichen Grundlagen (u.a. GEG, EEG, KWKG) unterscheiden sich voneinander, auch die der Förderkulissen (NKI, BafA, KfW usw.) und der Konzepte und Planungen (IKK, KfW432, Trafo-Plan usw.). Ein integriertes Klimaschutzkonzept hat andere THG-Rechenregeln (BISKO) als ein Quartierskonzept über KfW 432 (nach GEG), ein Biomassekonzept (Berechnungsstandard für einzelbetriebliche Klimabilanzen – BEK) oder ein Transformationsplan für Stadtwerke oder kommunale Liegenschaften (nach Greenhouse Protocol – GHG). Dies ist für die Kommunalpolitik und die Kommunalverwaltung verwirrend und nicht hilfreich bei kommunalpolitischen Beschlüssen. Ferner sollte Klarheit bestehen über die zur Verfügung stehenden kommunalen Flächenressourcen für die verschiedenen Technologiepfade erneuerbarer Energien zur Wärmebereitstellung.

Berlin, 14. Juni 2023

Dr.-Ing. Martin Rumberg
stellv. SRL-Vorsitzender

Dipl.-Ing. Guido Spohr
SRL-Projektgruppe Wärmeplanung

 

Stellungnahme