Dr.-Ing. Martin Rumberg, stellv. SRL-Vorsitzender
26.07.2023

Stellungnahme

  

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bedanken uns für die Gelegenheit, zum Entwurf des Gesetzes für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze Stellung zu nehmen. Die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) e.V. ist ein bundesweites fachliches Netzwerk mit knapp 2.000 Mitgliedern, die in sämtlichen Bereichen der Planung (Stadtplanung, Verkehrsplanung, Landschaftsplanung, Umweltplanung u.v.m.) tätig sind, und außerdem der Berufsverband aller in der räumlichen Planung Tätigen. Sie ist im Lobbyregister der Bundesregierung eingetragen (R003672).

Zum Verfahren erlauben wir uns den Hinweis, dass eine Beteiligungsfrist von wenigen Tagen nach unangekündigter Zusendung des Entwurfs – zumal in den Sommerferien und vor dem Wochenende – nicht dazu geeignet ist, einem im Wesentlichen ehrenamtlich organisierten Fach- und Berufsverband eine detaillierte fachliche Positionierung in der notwendigen Tiefe zu ermöglichen. Bei allem Verständnis für die Eilbedürftigkeit des Vorhabens wären hier – auch im Interesse der Qualität der Gesetzgebung und angesichts der großen Tragweite der Wärmeplanung – deutlich längere Fristen angemessen.

Der vorliegende Referentenentwurf stellt eine weitgehende Überarbeitung des ersten Referentenentwurfs dar, zu dem im Frühjahr bereits eine Länder- und Verbändebeteiligung durchgeführt wurde. Die Grundposition der SRL zur Wärmeplanung als solches hatten wir in unserer Stellungnahme von 14.06.2023 bereits dargelegt und halten diese auch aufrecht: Wir begrüßen ausdrücklich die mit dem Gesetz beabsichtigte bundesweit verpflichtende Einführung einer Wärmeplanung.

Im Vergleich mit dem ersten Referentenentwurf ist aus unserer Sicht positiv hervorzuheben, dass

  1. die Wärmeplanung nunmehr flächendeckend, also auch in den kleineren Gemeinden, durchgeführt werden soll. Die hier mögliche Aufstellung im Konvoi und mit vereinfachten Ansätzen erscheint dafür sachgerecht, gerade für Bundesländer mit überwiegend ländlich geprägten Strukturen (Verbandsgemeinden, Verwaltungsgemeinschaften, Landgemeinden usw.). Auch in kleinen Gemeinden existieren Fern- und Nahwärmenetze sowie Potentiale dafür, die in der Wärmeplanung untersucht werden können.

  2. nunmehr die Möglichkeit vorgesehen ist, auf Basis der Wärmeplanung bei Bedarf Satzungen, Verordnungen bzw. Verwaltungsakte zu erlassen. Damit ist ein für uns zentraler Kritikpunkt, nämlich die fehlende Verbindlichkeit und Wirksamkeit der Wärmeplanung, ausgeräumt worden. Korrespondierend mit der höheren Verbindlichkeit sind auch klarere Regeln für die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange eingefügt worden, die nach unserer Einschätzung sachgerecht sind.

Sehr problematisch ist aus unserer Sicht, dass die konkrete fachliche und prozessuale Ausgestaltung der Wärmeplanung in Teilen auf Verordnungen der Länder verlagert wird. Eine bundeseinheitlich vorgegebene Verfahrensweise wäre, wie wir bereits in unserer ersten Stellungnahme dargelegt hatten, sehr zu begrüßen. Die Konkretisierung über 16 Landesverordnungen erzeugt hohen Aufwand und verzögert voraussichtlich den Start der Wärmeplanung (dafür müssen ausführbare Vorschriften vorliegen). Als Berufsverband der in der räumlichen Planung Tätigen möchten wir auch darauf hinweisen, dass länderspezifische Regelungen z. B. zur Bewertung der Wärmeplanungen, zu Zuständigkeiten und zum Datenmanagement auch deswegen problematisch sind, weil viele für die Wärmeplanung kompetente Planungs- und Ingenieurbüros länderübergreifend arbeiten und unnötige Reibungsverluste durch Einarbeitung in die jeweiligen Abweichungen erwarten. Auch die Schulung, Fort- und Weiterbildung des Fachpersonals wird durch länderspezifische Besonderheiten deutlich erschwert. Angesichts des ohnehin hohen und gegenüber dem ersten Referentenentwurf nochmals verschärften Zeitdrucks bei der Erstellung der Wärmepläne wären hier pragmatische, gut handhabbare bundeseinheitliche Vorgaben besonders sinnvoll.

Wir waren bereits in unserer Stellungnahme vom 14.06.2023 näher darauf eingegangen, dass der sich verschärfende Fachkräftemangel für die Wärmeplanung einen wesentlichen „Flaschenhals“ darstellen kann und die ambitionierte Zeitplanung gefährdet. Dazu hatten wir u. a. Vorschläge mit Blick auf Aus-, Fort- und Weiterbildung gemacht. Diese möchten wir hier ausdrücklich bekräftigen, zumal sich der Umfang der aufzustellenden Wärmepläne durch die erhöhte Verbindlichkeit und die Einbeziehung auch kleinerer Gemeinden gegenüber dem ersten Referentenentwurf deutlich erhöht hat. Positiv bewerten wir in diesem Zusammenhang die sehr ausführliche und nachvollziehbare Abschätzung des Erfüllungsaufwands für die Aufstellung der Pläne, die noch um Abschätzungen zum benötigten und vorhandenen Fachkräftepotential erweitert werden sollte.

Zu Einzelregelungen des Gesetzentwurfs möchten wir wie folgt Stellung nehmen:

Artikel 1) Wärmeplanungsgesetz

§ 3 Begriffsbestimmungen (auch § 15 und Anlage 2)

  • Zusätzlich zu den gut definierten und ausdifferenzierten Begriffsbestimmungen müsste analog zur Bauleitplanung eine Art Planzeichenverordnung geschaffen werden, damit einheitlich lesbare Wärmepläne bundesweit erstellt werden können.
  • Die Trennung von unvermeidbarer Abwärme und thermischer Abfallbehandlung erscheint sinnvoll.
  • Wie durch die SRL schon mehrfach vorgetragen merken wir an dieser Stelle die Berechnung der THG-Emissionen der einzelnen Energieträger an. Weiterhin werden bei Gebäuden und Quartieren (THG-Berechnungsregeln nach GEG / KfW432), Klimaschutzkonzepten (BISKO), kommunalen Liegenschaften und Transformationsplänen für Stadtwerke (Greenhouseprotokoll – GHG), Mobilität (HBEFA, TREMOD) unterschiedliche THG-Bilanzierungsregeln angewandt. Dies führt bei der Einheit „Kommune“ zu unterschiedlichen integrierten und sektoralen THG-Emissionsbilanzen. Auch die Zielbilanzen (Bilanz mit EE-Gutschriften, Klimaneutral mit Albedo und Aerosole, THG-Netto-Null usw.) führen zu unterschiedlichen kommunalpolitischen Strategien. Zusätzlich ist es sinnvoll, bei Biomasse die CO2-Emissionen mit zu bilanzieren und dafür die THG-Senken mit zu betrachten. Dies hätte dann auch Auswirkungen u.a. auf § 31, weil Biomasse nicht mehr als klimaneutral betrachtet wird.

Über eine Harmonisierung der Bilanzierungsmethoden der Ministerien und Förderprogramme wären die THG-Minderungsmöglichkeiten besser zu projektieren und kommunalpolitisch zu beschließen.

  • Die Begriffsbestimmung zum „beplanten Gebiet“ enthält Unschärfen. Es bleibt offen, wie „der räumliche Bereich, für den ein Wärmeplan erstellt wird“, konkret beschrieben ist. Auch die Gesetzesbegründung ist hier unklar, wenn es einerseits heißt „Es [das beplante Gebiet] entspricht grundsätzlich und vorbehaltlich abweichender Regelungen auf Landesebene dem Hoheitsgebiet der planungsverantwortlichen Stelle, …“ und dann weiter ausgeführt wird „Was das beplante Gebiet ist und worauf sich die Wärmeplanung bezieht, wird von der planungsverantwortlichen Stelle unter Beachtung der Ziele und Vorgaben dieses Gesetzes festgelegt.“ Hier wäre es sinnvoll klarzustellen, dass der Wärmeplan nicht nur für bereits bebaute Gebiete aufgestellt werden muss, sondern die Betrachtung darüber hinaus gehen muss und zumindest Ausweisungen des Flächennutzungsplans mit betrachten muss.

§ 10 Datenverarbeitung zur Aufgabenerfüllung

Dies ist von verschiedenen Bundesländern anders geregelt, indem gebäudescharfe Daten geliefert werden, aber nur in aggregierter Form veröffentlicht werden dürfen. Die Verarbeitung von gebäude- bzw. adressscharfen Daten ist sinnvoll und notwendig für kleinteilige Untersuchungen auf der Ebene von Letztverbrauchern und Flurstücken. Nur so können konkrete Aussagen auf Baublockebene nach § 19 (2) getroffen werden. Auch die weitere vertiefende Bearbeitung von ausgewählten Baublöcken mit Unterstützung der energetischen Stadtsanierung (KfW 432), vorbereitende Untersuchungen für die Städtebauförderung und für Sanierungsgebiete, die Vorprojektierung von Wärme- und Wasserstoffnetzen sowie der Rückbau von Erdgasnetzen benötigen adress- und flurstückscharfe Daten.

Über entsprechende DSGVO-konforme Verfügungen können Dienstleister in die Datenverarbeitung eingebunden werden, so dass die Anforderungen nach § 12 erfüllt sind.

§ 14 Vorprüfung und Ausschluss

Wir begrüßen die Möglichkeit der Vorprüfung, die die Wärmewende erleichtert und beschleunigt. Positiv hervorzuheben ist auch das breite Instrumentarium zur Erstellung des Wärmeplans, von der Vorprüfung nach § 14 bis zur detaillierten Ausarbeitung auf Baublockebene mit der Möglichkeit über Satzungen formale Planungen auf kommunaler Ebene festzulegen.

§ 15 Bestandsanalyse - Anlage 2

Zur kartographischen Darstellung der Ergebnisse der Bestandsanalyse nach § 15:

  • Die Wärmeverbrauchsdichten liefern keine Planungsgrundlage für Wärmenetze, wenn die Grundstücksfläche im Verhältnis zur Gebäudefläche groß ist. Hier kommt es sehr auf die Datengrundlage an. Zusätzlich weisen Raumwärmebedarfsmodelle häufig einen deutlich höheren Wert in MWh/ha aus als Raumwärmeverbräuche. Dies ist für die Planung und Wirtschaftlichkeitsberechnung deutlich zu kennzeichnen und zu berücksichtigen.
  • Für eine qualifizierte Aussage zum Wärmebedarf ist der Verbrauch im Verhältnis zum Jahresnutzungsgrad unter Berücksichtigung der Gleichzeitigkeit der Wärmeverbraucher anzusetzen. Hier fehlen qualifizierte Vorgaben, um zu einem fachgerechten Ergebnis zu kommen.

§ 18 Einteilung des beplanten Gebiets in voraussichtliche Wärmeversorgungsgebiete

§ 18 Abs. 5 Nr. 1, wonach im Wärmeplan Gebiete dargestellt werden können, die aufgrund erhöhten Energieeinsparpotentials „geeignet erscheinen, zukünftig als Sanierungsgebiet“ gem. BauGB festgesetzt zu werden, ist unglücklich formuliert. Es ist nicht möglich, aufgrund einer Wärmeplanung zu einer solchen Einschätzung zu kommen, sondern dazu sind umfassende Vorbereitende Untersuchungen erforderlich, die alle in § 136 Abs. 3 BauGB genannten Merkmale prüfen und in Verbindung zueinander setzen. Durch die Wärmeplanung können nur Hinweise auf das in § 136 Abs. 3 Nr. 1h) BauGB genannte Merkmal („Gesamtenergieeffizienz der vorhandenen Bebauung und der Versorgungseinrichtungen des Gebiets“) gegeben werden, die in einer Vorbereitenden Untersuchung verwendet werden könnten. Wir schlagen daher vor, § 18 Abs. 5 Nr. 1 wie folgt zu fassen: „(…) Gebiete, in denen aufgrund der Gesamtenergieeffizienz der vorhandenen Bebauung und der Versorgungseinrichtungen des Gebiets Hinweise auf städtebauliche Missstände i. S. d. § 136 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 136 Abs. 3 Nr. 1 h) BauGB vorliegen (…)“.

 § 25 Fortschreibung des Wärmeplans

Die vorgesehene mindestens fünfjährliche Überprüfung und ggf. Fortschreibung des Wärmeplans ist nicht in allen Fällen ausreichend. Sobald die Gemeinde eine neue Siedlungsfläche im Flächennutzungsplan ausweist oder eine flächenhafte Nutzungsänderung (z. B. Konversion von Industrieflächen zu gemischten Stadtquartieren oder Wohngebieten) plant, müsste die Wärmeplanung für die betroffenen Bereiche anlassbezogen fortgeschrieben werden. Ansonsten stünden im Bebauungsplanverfahren keine belastbaren Aussagen zur künftigen Wärmeversorgung des Gebiets zur Verfügung. Diese müssen aber spätestens zur Beteiligung der Behörden/Träger öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit vorliegen, um die notwendigen Flächen, Leitungsrechte, technischen Vorkehrungen etc. vorsehen zu können.

§ 32 Verpflichtung zur Erstellung von Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrplänen

Anlage 3 II. Satz 3 stellt eine Beschreibung der Betriebsweise des Wärmenetzes dar. Hier fehlt für die Darstellung des IST-Zustands die Anschlussdichte der Gebäude an der Trasse. Wichtig ist die Ermittlung und Darstellung der noch nicht angeschlossenen Gebäude am Wärmestrang. Welche Gebäude können noch angeschlossen werden? Wie hoch ist die noch zur Verfügung stehende Leistung, auch am Strangende, um die Anschlussdichte zu erhöhen?

Artikel 2) Änderung des Baugesetzbuchs

Grundsätzlich sollen die im Baugesetzbuch vorgesehenen Änderungen dazu dienen, die Schnittstelle zwischen Wärmeplanung und Bauleitplanung zu optimieren. Nach unserer Einschätzung sind diese Änderungen insgesamt nicht eilbedürftig, denn sie kämen erst nach Aufstellung der Wärmepläne zum Tragen. Es wäre daher zu bevorzugen, die geplanten Änderungen in einen größeren Kontext zu stellen und im Rahmen der geplanten BauGB-Novelle 2023/24 zu behandeln. In den letzten Monaten ist das BauGB im Rahmen von Artikelgesetzen mehrfach punktuell geändert worden und wird – vor allem in laufenden Planverfahren – für die Kommunen in der praktischen Handhabung zunehmend unübersichtlich. Punktuelle Änderungen sollten daher wieder auf Notsituationen beschränkt werden und Änderungen des Baugesetzbuchs ansonsten in berechenbaren Abständen erfolgen.

Zu den Änderungen im Einzelnen

§ 1 BauGB

Der Belangekatalog der Bauleitplanung soll wiederum verlängert werden. Wir bezweifeln, dass dies erforderlich und der Sache dienlich ist. Die in der Wärmeplanung adressierten Belange sind in abstrakter Form bereits Gegenstand der §§ 1 Abs. 5 und 6 BauGB. Eine immer detailliertere und umfangreichere Darstellung zu berücksichtigender Auswirkungen und Belange entwertet die Regelung letztlich. Die Berücksichtigung des Wärmeplans in der bauleitplanerischen Abwägung hat im Vergleich zum ersten Referentenentwurf auch dadurch an Bedeutung verloren, als nunmehr Teile des Wärmeplans rechtsverbindlich ausgestaltet werden können.

§ 204 BauGB

Die Ergänzung in § 204 BauGB scheint eher symbolischen Charakter zu haben, da auch die Begründung des Gesetzentwurfs keine Anhaltspunkte dafür enthält, in welchen Konstellationen ein gemeinsamer Flächennutzungsplan für die Umsetzung der Wärmeplanung angezeigt sein könnte. Angesichts der sehr langen Aufstellungszeiträume für gemeinsame Flächennutzungspläne wäre von diesen ohnehin kein zeitnaher Beitrag für die Umsetzung der Wärmeplanung zu erwarten. Auch hier gilt: Ohne tatsächliches Erfordernis wird eine bestehende Regelung des BauGB länger und unübersichtlicher.