11.04.2024
Dr.-Ing. Martin Rumberg (stellv. SRL-Vorsitzender) und Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weyrauch (SRL-Ausschuss Planungsrecht)
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir bedanken uns für die Gelegenheit, zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2413 im Bereich Windenergie an Land und Solarenergie Stellung zu nehmen. Die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) e.V. ist ein bundesweites fachliches Netzwerk mit knapp 2.000 Mitgliedern, die in sämtlichen Bereichen der Planung (Stadtplanung, Verkehrsplanung, Landschaftsplanung, Umweltplanung u.v.m.) tätig sind, und außerdem der Berufsverband aller in der räumlichen Planung Tätigen. Sie ist im Lobbyregister der Bundesregierung eingetragen (R003672).
Der vorliegende Referentenentwurf umfasst Änderungen an insgesamt sechs Bundesgesetzen. Wegen der knappen Beteiligungsfrist beschränken wir uns hier auf die unter dem Titel „Planerische Ausweisung von Beschleunigungsgebieten“ vorgesehenen Änderungen des Baugesetzbuchs (BauGB) sowie des Raumordnungsgesetzes (ROG), mit denen eine Verpflichtung geregelt werden soll, sog. Beschleunigungsgebiete für erneuerbare Energien gemäß Art. 15c der Richtlinie (EU) 2018/2001 auszuweisen.
Die zu den Beschleunigungsgebieten für die Windenergie geplanten Regelungen
werfen einige grundsätzliche Fragen auf, die im weiteren Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt und geklärt werden sollten:
- Die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten ist im vorliegenden Referentenentwurf nicht als planerische Abwägungsentscheidung konstruiert, sondern stellt sich eher als ein genehmigungsrechtliches Vorverfahren dar, in dem Gebiete für Genehmigungsvereinfachungen nach bestimmten rechtlichen Kriterien abgegrenzt und notwendige Prüfungen vorweggenommen werden. Es ist zwar naheliegend, die Ausweisung solcher Gebiete künftig „huckepack“ in die Ausweisung von Windenergiegebieten zu integrieren, um kein gesondertes Beteiligungsverfahren durchführen zu müssen. Ob es allerdings zielführend ist, die Träger der Regional- und Bauleitplanung mit zusätzlichen Anforderungen, Prüfaufgaben und auch Kosten zu belasten, für die sie dem Grunde nach nicht zuständig sind, überwiegend vor allem aber nicht fachkompetent sein dürften, ist deshalb zu hinterfragen, weil dieses Vorgehen anstelle einer Beschleunigung eine Verlangsamung nach sich ziehen kann. Eine alternative Herangehensweise z. B. über das Immissionsschutzrecht, sollte daher zumindest alternativ erwogen werden.
- Es ist unklar, ob die geplanten Regelungen die aus Art. 15c der RED-III-Richtlinie resultierenden Verpflichtungen erfüllen. Zur Sicherstellung des für das Jahr 2030 angestrebten EE-Anteils müssen bis zum 21. Februar 2026 Beschleunigungsgebiete für die erneuerbaren Energien in erheblichem Umfang ausgewiesen werden. Der vorliegende Referentenentwurf enthält allerdings keine Umsetzungsfristen, sondern regelt nur die abstrakte Verpflichtung, im Rahmen der Ausweisung von Windenergiegebieten diese zusätzlich als Beschleunigungsgebiete auszuweisen. Für Solarenergiegebiete ist die Ausweisung insgesamt nur optional. Die zur Umsetzung der Ziele des Windenergieflächenbedarfsgesetzes erforderlichen Planungen zur Ausweisung von Windenergiegebieten sind in den Ländern unlängst angelaufen bzw. stehen kurz davor, teilweise sind sie vor dem Hintergrund des § 245e Abs. 1 Satz 1 BauGB sogar weit vorangeschritten. Mit Blick auf den gesetzlich geplanten „Automatismus“, Windenergiegebiete im FNP oder in einem Raumordnungsplan auch zu Beschleunigungsgebieten zu erklären, stellt sich die Frage, ob das der bisherigen Planung zugrunde liegende Abwägungsgerüst ohne zusätzlichen Prüfungsaufwand (siehe Bedenken unter 1.) noch ausreicht. Es könnte sich jedenfalls ein neues Einfallstor für Klagen öffnen. Man kann zudem annehmen, dass in diesen Fällen der Untersuchungsrahmen für die Umweltprüfung und weitere Gutachten deutlich erweitert werden muss. Damit wird es auch notwendig werden, bereits getätigte Ausschreibungen und Vergaben zu wiederholen bzw. zu erweitern. Wenn bereits Beteiligungsverfahren stattgefunden haben, sind diese ggf. ebenfalls zu wiederholen. Der Planungsprozess wird in diesen Fällen aus verschiedenen Gründen deutlich aufgehalten, allein schon wegen geringer verfügbarer Gutachterkapazitäten. Am Rande sei bemerkt, dass die Frist Februar 2026 nicht mit den Fristen nach WindBG (Ende 2027 bzw. Ende 2032) harmoniert.
- Es stellt sich die Frage, wie sich der Referentenentwurf zu zahlreichen geltenden Planwerken (insb. kommunale sachliche Teil-Flächennutzungspläne) verhält, die (jedenfalls einstweilen nach § 2 Abs. 1 Buchstb 1) schon heute Windenergiegebiete sind. Soll mit der Vorschrift des § 249a Abs. 1 BauGB-E tatsächlich verlangt werden, diese Pläne durch einen weiteren Planungsprozess zur zusätzlichen Ausweisung dieser Gebiete als Beschleunigungsgebiete zu ändern? Es wird ein hoher Planungsaufwand verursacht, dessen Nutzen unklar bleibt und zudem zweifelhaft ist vor dem Hintergrund, dass – nunmehr insb. auf Ebene der Regionalplanung – eine Überplanung im Sinne des WindBG erfolgt. Zu diesen Fallkonstellationen bleibt der Referentenentwurf uneindeutig. Weil dafür jeweils Planänderungen mit Beteiligungsverfahren und ggf. umfangreichen zusätzlichen bzw. aktualisierten Gutachten erforderlich wären, ist nicht anzunehmen, dass die betroffenen Regionen und Gemeinden vorhandene Windenergiegebiete freiwillig – mit eigenen Planungsressourcen und auf eigene Kosten – nachqualifizieren werden. Der Planungsaufwand wäre ganz sicher unverhältnismäßig.
- Für die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten werden ungefähr parallele Regelungen im ROG und im BauGB vorgeschlagen. Dies wird wohl als notwendig angesehen, weil im Windenergiebedarfsflächengesetz den Ländern die Wahlfreiheit gegeben wurde, die geforderten Windenergiegebiete entweder durch die Regional- und Landesplanung oder durch die Bauleitplanung umzusetzen.
- Soweit ersichtlich haben sich mit Ausnahme des Saarlandes zwischenzeitlich alle Flächenländer für die Ausweisung von Windenergiegebieten in der Regionalplanung entschieden. Das wirft die Frage auf, ob eine Regelung für Bauleitpläne überhaupt noch erforderlich ist. Zumindest mittelfristig sollte überlegt werden, das Thema „Windenergie“ konsequent aus dem Baugesetzbuch herauszunehmen und ausschließlich in der Raumordnung anzusiedeln.
- Die für das ROG und das BauGB vorgeschlagenen Regelungen entsprechen sich ungefähr, weisen aber einige Abweichungen auf. So heißt es in § 249a BauGB -E, dass Windenergiegebiete im FNP zusätzlich als Beschleunigungsgebiete „auszuweisen sind“. Nach § 28 ROG-E allerdings „werden" Windenergiegebiete zusätzlich als Beschleunigungsgebiete ausgewiesen. Es wird aus der Begründung nicht deutlich, was dieser Unterschied bedeutet bzw. ob hier in der Rechtsfolge überhaupt ein Unterschied vorliegt.
- Der Aufwand für die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten wird nach unserer Einschätzung (ähnlich wie in den ersten Referentenentwürfen zur Wärmeplanung) sehr deutlich unterschätzt. Dies gilt besonders dann, wenn Minderungsmaßnahmen durch die neue Anlage 3 zum BauGB bzw. zum ROG detailliert zu prüfen sind. Hierfür beispielsweise von einem Aufwand von 200 EUR (!) je Flächennutzungsplan auszugehen, fußt auf einer erheblichen und unverantwortlichen Fehleinschätzung. Man darf auch sicher davon ausgehen, dass sich zu diesen Konditionen kein Dienstleister finden lässt, die Planungsaufgabe zu übernehmen. Besonders die Regionalplanung, auf die sich das Geschehen inzwischen fast vollständig verlagert hat, ist mit zusätzlichen Prüferfordernissen und Detaillierungsgraden konfrontiert, die bisher nicht ihr Betrachtungsgegenstand waren. Gerade in der Raumordnung herrscht aber ohnehin schon erheblicher Fachkräftemangel, es stellt sich also konkret die Frage, wie die zusätzlichen Aufgaben übernommen werden können. Das kann einerseits das Erreichen der Flächenbeitragswerte innerhalb der vorgegebenen Frist nach § 3 WindBG durch rechtzeitige Aufstellung entsprechender Pläne gefährden, andererseits drohen neue Risiken für die Rechtmäßigkeit der Pläne, wenn Prüfschritte nicht in der gebotenen Tiefe durchgeführt werden können.
Der § 249b BauGB-E „Sonderregelungen für Solarenergiegebiete“ ist eine eigenständige Regelung, die unabhängig von den Beschleunigungsgebieten zu bewerten ist. Es soll damit die Möglichkeit geschaffen werden, in der Flächennutzungsplanung die Zulässigkeit von Anlagen zur Solarenergiegewinnung zu begründen. Die Länder sollen außerdem ermächtigt werden, diese Regelung durch Gesetz auf Regionalpläne auszuweiten. Da weiterhin eine Festsetzung durch Bebauungsplan möglich ist und die gerade neu eingeführte eingeschränkte Privilegierung bestimmter Solarenergieanlagen weiter gilt, würden dann vier voneinander unabhängige planungsrechtliche Zulässigkeitsgrundlagen für Solarenergieanlagen im Außenbereich bestehen, nämlich
- die Privilegierung entlang von Verkehrswegen und in Zusammenhang mit land- und forstwirtschaftlichen Betrieben,
- die Zulässigkeit aufgrund verbindlicher Bauleitpläne (z. B. vorhabenbezogene
Bebauungspläne), - die Zulässigkeit durch Darstellung von Solarenergiegebieten im Flächen-
nutzungsplan, - bei Vorliegen der landesrechtlichen Grundlage die Zulässigkeit durch raumordnerische Zielfestlegung eines Vorranggebiets für die Solarenergie.
Der Vorteil einer derart zerklüfteten und diversifizierten Struktur, die zudem einen Bruch mit den lange bewährten Funktionen der Planungsebenen bedeutet, erschließt sich uns nicht. Die Regelungen für Solarenergieanlagen im Freiland werden dadurch immer undurchsichtiger, ohne dass damit echte Effizienz- oder Zeitgewinne für den Ausbau erneuerbarer Energien verbunden sind. Festzustellen ist nämlich, dass ungeachtet dessen, auf welcher Planungsebene die Zulässigkeit von Solarenergieanlagen außerhalb der ohnehin durch Privilegierung abgedeckten Flächen geschaffen wird, bis zur Vorhabengenehmigung immer ein unverändert hoher (Umwelt-)Prüfungs-, Abwägungs- und Begründungsaufwand zu bewältigen ist. Insofern ist der Prüfungsumfang im Regional- oder Flächennutzungsplan möglicherweise etwas geringer als im Bebauungsplan, dafür verbleibt dann ein erhöhter Prüfumfang für die Genehmigung. Die umfangreichen Ausführungen zu § 249b BauGB-E in der Begründung des Referentenentwurfs überzeugen hier nicht – effektive Vereinfachungen sind nicht erkennbar. Weitgehend unklar bleibt auch die Funktion der Beschleunigungsgebiete für die Solarenergie nach § 249c BauGB-E, insbesondere bleibt offen, welche Genehmigungsvereinfachungen in solchen Gebieten konkret möglich sind. Insgesamt sollte der Gesetzgeber bei der Ordnung des Ausbaus der Solarenergie im Außenbereich zu einer klaren und übersichtlichen Struktur zurückfinden.
Für eine weitere Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren wären wir Ihnen dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Dr.-Ing. Martin Rumberg
stellv. SRL-Vorsitzender
Verfasser der Stellungnahme: Dr.-Ing. Martin Rumberg, Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weyrauch